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der Ordensgemeinschaft der Kamillianer

Unser „Sonntagsgruß“ für Sie

25. März 2012 – 5. Fastensonntag

Jesus schreit

Die Evangelien berichten vom Todesschrei Jesu am Kreuz. Sein Schrei klingt fort durch die Zeiten in den Werken der Malerei, der Musik. Zu allen Zeiten trifft er auf Ohren, die davon ergriffen sind. Todesangst und Todesschmerzen hat Jesus erlitten. Wie eben ein Mensch: Er war ein Mensch. Wie ein Mensch hat er Freud und Leid erfahren, war in Kanaa bei der Hochzeit, und es zog ihn zu den Kranken.

Hat Jesus gelacht? Wir haben keinen Grund daran zu zweifeln. Aber nicht davon spricht das Evangelium, sondern von seinen Tränen. Jesus weinte über Jerusalem. Der Tempel zu Jerusalem ist der Stolz und die vermeintliche Sicherheit jedes gläubigen Juden zur Zeit Jesu. Dieses Unvorstellbare, die Zerstörung des Tempels sieht Jesus kommen. Und er gibt die Deutung des Geschehens: Du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt (Lk 21,44).

Zeit der Gnade - Fülle der Zeit - das ist Jesus in Person: der Lehrende, der Gekreuzigte und der Lebendige, der zu allen Zeiten bei uns zu sein versprochen hat und dessen Wiederkunft in Herrlichkeit die Gläubigen erwarten.

Oder andersherum gesehen: Zeit der Gnade - das ist unsere Lebenszeit. Bis zum letzten Atemzug sind wir gerufen ihm zu folgen: rufen uns seine Tränen und sein Todesschrei: Ich habe mein Kreuz für dich getragen; glaubst du das? Ich habe mein Leben für dich hingegeben; lässt dich das kalt? Es geht um dich, um dein Heil, um deine Ewigkeit.

Das Tagesevanglium lautet: „Auch einige Griechen gehörten zu den Pilgern, die beim Fest Gott anbeten wollten. Sie traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas. Andreas und Philippus gingen und sagte es Jesus. Jesus antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.
Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet. Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.“ (Jh 12,20-33).

Wenn Sie nun meine Gedanken mit dem Evangeliumstext vergleichen, werden Sie wenig Ähnlichkeit finden. Und doch ist es der gleiche Inhalt.

Ich habe mir gedacht, der Sinn eines Evangeliums wird leichter wahrgenommen, wenn er nicht in bekannten Formeln - und schon gar nicht in der feierlichen und schwierigen Redeweise eines Johannes daherkommt. Es geht um ihn, Jesus, und es geht um mich, und das ist ein und dasselbe.

P. Wilhelm Kintrup, Kamillianer